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Sexualität im Fluss

Liebe auf fernöstlich

 

Von Bettina Lemke

 

Derzeitig ist die unser Sexualverhalten stark vom westlichen Lebensstil geprägt, welches vornehmlich in zwei Varianten daherkommt: In der Ersten geht es um Abwandlungen der Maximen: höher, schneller, weiter, bei der Sex als olympische Disziplin betrieben wird. Das ist das Ideal. Und – wenn es so nicht funktioniert, weil Wille oder Können versagen, kommt es zum routinemäßigen Zusammenführen zweier Körper nach immergleichen Mustern und sparsamen Abwandlungen: Ein wenig Vorspiel, die Stimulation der Sexualorgane, ein hastiger Orgasmus, schließlich ein wenig Streicheln für die Frau und dann das ermattete Zusammensinken des Mannes. Die dritte Möglichkeit besteht darin, es ganz sein zu lassen.

 

Zunehmend sind viele Frauen und Männer unzufrieden mit dieser Art des Beischlafes. Es wird herumprobiert mit Stellungswechseln, Spielzeug oder wechselnden Partnern, aber das Prinzip bleibt das Gleiche. Wirkliche Erregung, die den ganzen Menschen erfasst, Ekstase, tatsächliche tiefe innige, intime Begegnungen bleiben einem verwehrt oder sind auf spärliche Highlights begrenzt. Nach westlichen Prinzipien Sex zu machen, ist ein wenig so, als wenn man mit einem Porsche nur im zweiten Gang fährt. Er bleibt weit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Oder man fährt fünfhundert Meter, beschleunigt in ein paar Sekunden von Null auf Hundert und bleibt dann stehen. In unserem Verständnis hört der Sex in der Regel mit der Ejakulation des Mannes auf. Beide Partner arbeiten darauf hin, als wäre dies das einzige Ziel der Vereinigung.

 

Eine grundsätzlich andere Herangehensweise bieten fernöstliche Liebestechniken. Sie sind ganzheitlich orientiert, und integraler Bestandteil des Lebens, auf dem es sich vorzubereiten und den es zu zelebrieren gilt. Viel mehr als um irgendeine Zielerreichung, konzentriert sich diese Art des Liebemachens auf den Akt an sich und die Art des Tuns. Ein intensives Aufeinanderbezogen sein und vollständige Aufmerksamkeit bestimmen die Handlungen. Den unterschiedlichen fernöstlichen Anschauungen ist das Lösen von Fixierungen gemeinsam: Keine Überkonzentration auf Körperteile, nicht auf den Orgasmus oder die Steigerung der Koitusrate. Es geht stattdessen um Bewusstheit, Achtsamkeit, dem Schaffen von Harmonie und um geistiges Wachstum. Wer fernöstlich liebt, erfährt die sexuelle Liebe als tiefer, erregender, orgasmischer und liebevoller, als andere. Wie bei einer gut abgestimmten Sportbetätigung fühlen sich die Beteiligten hinterher vitalisiert, erfüllt und ganzheitlich befriedigt, statt erschöpft wie nach einem Marathonlauf.

 

Es gibt verschiedene chinesische und indische Lehren, in denen die Sexualität gewürdigt wird und wo sie innerhalb der, meist religiösen, Denkanschauung, ihren Platz und eine entsprechend lange Tradition hat. Zu nennen sind das Tao, Zen-Sex, Tantra und das Kamasutra.

 

Tao

 Der Taoismus, auch Daoismus genannt, ist eine chinesische Philosophie und Religion. Seine Ursprünge liegen im 4. Jahrhundert vor Christus. Als einer der Begründer gilt Lao-Tse. Daoismus bedeutet soviel wie „Lehre des Weges“. Durch die Dynamik der Zweiheit des Yin und Yang ging nach den Lehren des Tao die Welt hervor. Yin steht für das weibliche Prinzip und wird assoziiert mit Wasser: Materie, die sich zusammenzieht, Form annimmt. Yang verkörpert das männliche Prinzip wird mit Feuer in Zusammenhang gebracht, mit reiner Energie ohne Form und Struktur, die sich ausdehnt und aufsteigt. Jeder Mensch trägt sowohl Yin- als auch Yang-Anteile in sich. Das Ziel vieler komplexer Techniken ist die Integration von Yin und Yang um zur Harmonie zu finden, um zur ursprünglichen Einheit zurückzukehren.

Qi ist eine spezielle Form der Energie, die alles was lebt durchdringt, soll aber weder physischer noch geistiger Natur sein. Um zur Einheit zu gelangen ist es wichtig das Qi zu stärken. Dafür gibt es im Daoismus eine Vielzahl von Theorien und Praktiken. Sie beinhalten verschiedene Bereiche wie Meditation, Ernährungslehre, Chinesische Medizin, Qi Gong, das ist eine Bewegungslehre, Kampfkünste, Sexual Praktiken, Militärische Strategien, Astrologie, innere und äußere Alchimie, Wahrsagung, Magie und Rituale, Feng Shui und die Künste.

Der schwarz-weiße Yin-Yang-Kreis ist ein wichtiges Symbol des Taoismus: Er steht für die perfekte Harmonie.

 

Trotz der Vielzahl an rituellen Praktiken ist ein Grundprinzip des Taoismus Wu Wei: „Nicht Handeln“, nicht in den Lauf der Natur eingreifen. Der Lehre entsprechend findet jedes Wesen spontan, ohne aktives Steuern, seinen eigenen richtigen Weg. Die Veränderungen in der Welt, werden akzeptiert und angenommen, wodurch sich die eigenen Handlungen ergeben. Die Praktiken sind entsprechend als ein „Bereitmachen“ zu interpretieren, die ohne zwanghaftes Erreichen von Zielen ausgeführt werden.

 

Auch die Sexualenergie ist Qi. Durch die Vermehrung und Harmonisierung dieser Energie stellen sich erfülltere Daseinsformen ein. Sie sind die Basis für Kreativität, Vitalität und Spiritualität. Entsprechend ist Sex kein Selbstzweck, sondern dient dazu höhere Ziele zu erreichen.

 

Ein wichtiger Schritt dorthin ist es, die sexuelle Energie, die ihren Ursprung in den Sexualdrüsen hat, zu transformieren. Dazu muss sie zunächst hervorgebracht werden und darf dann nicht leichtfertig vergeudet werden. Energie entsteht durch sexuelle Lust. Durch die weibliche Menstruation und den männlichen Samenerguss geht Energie verloren, ein Orgasmus hingegen stärkt die Energie. Eine der vielleicht revolutionärsten Ideen der fernöstlichen Sexualpraktiken ist die Trennung zwischen Orgasmus und Ejakulation beim Mann. Beide physiologischen Abläufe sind in keinster Weise zwingend miteinander verbunden und lassen sich mit einiger Übung unabhängig voneinander erleben.

 

Auf diese Weise bleibt die geschaffene Energie beim Mann. Er fühlt sich nach dem Sex nicht erschöpft, sondern vitalisiert. Multiorgasmen, also mehrere Orgasmen hintereinander, werden möglich, denn er hält nach einem Orgasmus ohne Ejakulation seine Erektion aufrecht. Wenn ein Mann die Kontrolle über seine Ejakulation gewonnen hat, wird er nicht mehr von seinem Penis beherrscht. Er kann entscheiden wann, wie und wie oft er ejakuliert. Daraus ergibt sich eine völlig neue Art des Liebemachens. Er wird dazu befähigt sich anders auf seine Partnerin konzentrieren, beliebig lange mit ihr zu schlafen und ist so viel eher in der Lage dazu sie zu befriedigen. Statt der üblichen Art einen Orgasmus hinauszuzögern, etwa durch geistige Ablenkung, bleibt er ganz im sinnlichem Erleben und kann es genießen. Außerdem soll diese Form der Sexualität den Mann verjüngen. Sie lässt ihn fitter und gesünder aussehen und macht ihn potenter.

 

Die Verhinderung der Ejakulation kann auf verschiedenen Wegen erreicht werden: Zunächst einmal geht es um die Kräftigung und Kontrolle bestimmter Muskeln im Genitalbereich. Zum zweiten werden Atemtechniken eingesetzt und schließlich wird durch das Drücken bestimmter Hautregionen, vorwiegend zwischen Damm und Anus, kurz vor dem Orgasmus das Ejakulat umgeleitet, wo es vom Blut absorbiert wird.

 

Das bedeutet nicht, dass ein Mann gar nicht mehr ejakulieren sollte. Doch um die Vorzüge dieser Technik voll auskosten zu können, sieht das Tao eine eher seltene Rate vor: Alter x 0,2 (in Tagen). Ein vierzigjähriger Mann sollte also nicht öfter als alle acht Tage ejakulieren. Trotzdem kann er natürlich häufig den Geschlechtsakt vollziehen, sowie zahlreiche Orgasmen erleben um sexuelle Energie aufzubauen.

 

Während Männern Energie durch die Ejakulation verloren geht, schöpfen Frauen aus der Vereinigung Energie. Die yin Energie der Frau ist negativ geladene Energie, die Energie des Mannes, Yang, positiv. Die Frau gibt während des Geschlechtsaktes Yin Energie ab und fühlt sich hinterher entsprechend fit, braucht weder Erholung noch Schlaf, insbesondere dann nicht, wenn der Mann ejakuliert hat und ihr damit seine Yang Energie geschenkt hat. Der Mann hat demgegenüber seine Yang Energie verströmt und ist erschöpft. Je länger der Liebesakt dauert, desto mehr Yang Energie baut sich beim Mann auf, die ohne Ejakulation bei ihm bleibt und zu stärkeren Orgasmen führt und mehrere Höhepunkte in Folge ermöglicht.

 

Bei einem Übermaß an Yang Energie, hervorgerufen z.B. durch Stress, benutzen westliche Männer Sex mit Ejakulation oder die Selbstbefriedigung als Möglichkeit sich zu entspannen, die Energie zu reduzieren, ähnlich einem Dampfkessel wo Druck abgelassen wird. Dem tantrisch orientierten Mann käme das einer Verschwendung von Lebensenergie gleich. Im Sinne des Tao sollte diese Energie genutzt und transformiert werden.

 

Zen-Sex

 Zen-Buddhismus ist eine in China entstandene Form des Buddhismus, die stark vom Daoismus beeinflusst wurde. Zen bedeutet soviel wie Versenkung. Ab dem 12. Jahrhundert gelangte Zen nach Japan und erhielt dort eine neue Ausprägung, die in der Neuzeit auch im Westen bekannt wurde. Auch wenn Zen religiöse Wurzeln hat, ist es weder eine Religion, noch eine Weltanschauung. Eher handelt es sich um eine bestimmte Art des Seins. Die Aufmerksamkeit ist ein wesentliches Element der Lehre. Sie soll so weit wie möglich auf den Augenblick fokussiert werden. Auch oder gerade in alltäglichen Handlungen. Situationen werden einfach nur wahrgenommen, ohne sie gedanklich zu kommentieren oder zu bewerten. Ein anderer Teil der Zen-Praxis ist die Versenkung, die Meditation. Beide Techniken dienen dazu den Geist sowohl zu beruhigen, als auch dem Aneignen von Willensstärke aufgrund der Kontrolle über die eigenen Gedanken.

Ziel ist es zur Erleuchtung zu gelangen, bei der es um ein tiefes Erlebnis von Stille geht in dem weltliche Dualismen aufgehoben sind.

Nach den Lehren des Zen steht alles mit allem in Verbindung. Jede Handlung hat somit einen Effekt auf das eigene Leben, obgleich Begriffe wie gut/böse oder richtig/falsch abgelehnt werden und es keine verbindlichen Vorschriften gibt. In der japanischen Ausprägung gibt es verschiedene Riten, die eine Übung des Zen beinhalten. So z.B. Sado, den Weg der Teezeremonie, Shodo, den Weg der Schreibkunst, Zengarten, die Kunst der Gattengestaltung.

 

Entsprechend taucht man beim Zen-Sex vollkommen in das Erlebnis ein und hört konsequent auf zu denken, ist aber gleichzeitig achtsam. Unter Achtsamkeit wird das bewusstes Erleben verstanden, die volle Präsenz in der Gegenwart. Im Mittelpunkt steht beim Zen-Sex das achtsame Erkunden der eigenen Person sowie der Persönlichkeit des Partners, als sinnliches Erlebnis. Der Weg ist das Ziel. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist das Annehmen. Man nimmt sich selber und den Partner so an wie er ist, was einschließt nichts vom Anderen zu erwarten, sich frei zu machen von eigenen oder fremden Schemata, ohne Situationen oder Gefühle zwanghaft bewerten oder verändern zu wollen.

In der Liebe entsteht durch das Spiel mit Gegensätzlichkeiten und Unterschieden Energie, die sich mal zu harmonischen Zuständen ausgleichen kann, mal verschieden bleibt und sich so ergänzt.

 

Tantra

 Tantra ist ein Teilgebiet des Hinduismus, später des Buddhismus. Es stammt aus Indien und dem Tibet. Die Ursprünge des Tantra beginnen im 2. Jahrhundert. In voller Ausprägung existiert der Tantrismus ab dem 7./8. Jahrhundert. Das Wort Tantra kommt aus dem Sanskrit, die Sprache der ältesten indischen Literatur, und bedeutet wörtlich „Gewebe“ oder „Zusammenhang“. Hauptsächlich geht es beim Tantra um göttliche Energie oder Schöpfungskraft. Nach dem Tantrismus gibt es in der Welt zwei polare Aspekte, die durch das Hindu-Götterpaar Shaki und Shiva symbolisiert werden. Shiva verkörpert die Ur-Energie, Shaki steht für den Geist.

Auch im menschlichen Körper kommt diese Energie vor. Sie wird dieser Lehre nach in 7 Energiezentren, den Chakren, lokalisiert. Gesundheit und Lebensfreude ergeben sich, wenn der Energiefluss zwischen den Chakren nicht gestört ist.

Im Tantra gibt es zahlreiche Übungen, die den Energiefluss gewährleisten sollen. Das Meditieren mit dem Rezitieren von Mantras (heiligen Sprüchen) oder dem Betrachten von Mandalas (heilige Bilder), dem Betreiben von Tantra-Yoga, rituellen Reinigungen und Atemübungen.

 

Die Sexualität wird im Tantrismus mit der weiblichen Ur-Energie gleichgesetzt und deshalb sehr verehrt. Beim traditionellen Tantra geht es nicht vordergründig um das Ausleben der eigenen Sexualität, sondern sie ist in Rituale eingebettet. Auch hier dient der Geschlechtsakt höheren spirituellen Zielen, was den Genuss des Selben nicht ausschließt. Wie beim Tao rät die tantrische Lehre gleichermaßen dazu einen Samenerguss zu verhindern.

 

Das Tantra beschreibt für eine entwickelte, bewusste Sexualität eine Reihe von Übungen für Männer und Frauen, die überwiegend die Muskulatur der Geschlechtsorgane stärken sollen. Für ein volles Vergnügen ist zunächst einmal Zeit und Mühe zu investieren. Eine Frau sollte zum Beispiel täglich mit einem Dildo ihre Scheidenmuskulatur trainieren: Verschiedene Muskelgruppen anspannen, während andere entspannt werden. Der Dildo soll sich auf und ab oder hin und her bewegen und kreisen. Es wirkt fast so wie ein Fitnesstraining. Das dies sinnvoll sein kann leuchtet ein. Ein trainierter Muskel in Verbindung mit einem bewussten Geist arbeitet um ein vielfaches besser. Insofern ist das Thema Alter kein Problem für den Tantra praktizierenden Menschen, und insbesondere nicht für den Mann. Im Gegenteil: Das Zurückhalten des Samens schenkt Vitalität und sexuelle Ausdauer und das Trainieren der Muskulatur, sowie Prostatamassagen und einiges mehr erhalten die Potenz. Zur Erfahrung kommt das Können, was sicher jede Frau begeistert. Umso mehr, wenn sie ebenfalls trainierte Muskeln hat, sowie einen wachen Geist. Hinzu kommen für Westler etwas komplizierte Rituale der Vereinigung. Etwa mit einem Bad im kühlen Wasser beginnend, dann folgen Streck- und Dehnübungen, eine Meditation, die Frau rechts vom Mann sitzend, im Hintergrund ist Musik zu hören. Das Liebesspiel wird mit Massagen fortgeführt, in einer bestimmten Reihenfolge, von Mantras und Visualisierungen begleitet und schließlich kommt es zur Vereinigung mit einem Wechsel von Ruhe und Bewegung. Stets stehen Getränke, Obst und Süßigkeiten bereit. Man lässt sich Zeit. Mit entsprechender Konzentration können dabei Heilungen verschiedener Traumata erfolgen oder ein Schritt weiter zur Erleuchtung erreicht werden.

 

Kamasutra

 Das Kamasutra ist das älteste überlieferte hinduistische Lehrbuch der erotischen Liebe. Es stammt aus Indien und wurde vermutlich zwischen 200 und 300 n. Chr. von Mallanga Vatsyayana geschrieben. „Kama“ bedeutet soviel wie Verlangen, ist aber auch die Bezeichnung des Liebesgottes. „Sutra“, ist die Bezeichnung altindischer (seiöser) Lehrtexte. Neben einer Anleitung für das erotisch-sexuelle Verhalten mit detaillierten Bildern sich liebender Paare, enthält es eine große Anzahl von Regeln und Lebensweisheiten. Thematisch befasst es sich mit Fragestellungen zur Lebenskunst, Partnerwahl, Machterhalt in der Ehe, Ehebruch, über das Leben als Kurtisane oder mit einer Kurtisane und schließlich über verschiedene Stellungen beim Geschlechtsverkehr.

Nach altindischer Morallehre dient das Leben des Menschen einem dreifachen Ziel: Dharma, dem spirituelle Wohl durch Befolgung religiöser Richtlinien, Artha, dem Ansammeln materieller Güter und von Reichtum und Kama, dem sinnlichen Genuss. Die höchste Priorität hat Dharma, die niedrigste Kama. Die Liebeskunst wird als Teil der Lebenskunst betrachtet. Sex gehört damit zu den Freuden des Lebens, ohne jedoch eine Sonderstellung einzunehmen. Beim Kamasutra geht nicht nur um den Sex ansich, sondern um das rituelle Beieinandersein, um Kleidung, Geruch, Tätowierungen, Gesänge und die richtige Umgebung, um schließlich zur Vereinigung zu gelangen.

Obgleich Frauen und Männer im Liebesspiel gleichermaßen Genuss und Erfüllung finden sollen, empfiehlt das Kamasutra dennoch sich nach dem Verlangen der Frau zu richten. Die weibliche Sexualität ist komplizierter und die Erregungskurven von ihr verlaufen anders. Nur eine sexuell befriedigte Frau hat die Lust und das Interesse dauerhaft einen Mann zu befriedigen. Vorrangiges Ziel für den Mann ist es, die Frau so zu stimulieren, dass sie sexuelle Erfüllung findet. Dazu gibt es konkrete Beschreibungen von Stellungen und Variationen von Maß, Begehren und Zeitdauer, was genaue Beschreibungen über Küsse, Bisse, Schläge einschließt. Vor blinder Wollust wird gewarnt. Bewusstheit, (Selbst-) Kontrolle und Aufmerksamkeit sind trotz aller Sinnlichkeit wichtiger Bestandteil des Kamasutra. Die zahlreichen Zeichnungen, kopulierender Paare wirken auf den westlichen Betrachter fast wie Turn- oder Yogaübungen. Befremdlich, fast unromantisch, wo viele Menschen gerne ganz entspannt miteinander im Liegen schlafen, ohne allzu viel Bewegung. Im Kamasutra wird davon ausgegangen, dass ein durchbluteter Leib, durch Bewegung und Flexibilität zu mehr Lustempfinden gelangen kann, besonders im Beckenbereich. Wer Kamasutra-Stellungen lustvoll erleben will, sollte sich also nicht vor körperlichen Anstrengungen scheuen.

 

Natürlich lassen sich fernöstliche Elemente des Liebesspiels in westlichen Schlafzimmern ausprobieren. Die bewusste Gestaltung des Liebeslagers etwa mit Licht, Farben, Düften, Blumen, Getränken, kleinen Mahlzeiten, die Langsamkeit und Bewusstheit von Bewegungen und wenn man den Anderen berührt oder berührt wird, der Versuch die entstehende Energie zu nutzen, durch die Kontrolle von Energieströmen sich vitalisiert und gestärkt vom Liebemachen zu erheben, und insgesamt die Sexualität wichtiger zu nehmen. Es ist ähnlich wie beim Genuss von Lebensmitteln: ein Schnellgericht macht zwar auch erst mal satt, doch ist es etwas völlig anderes als selber etwas Gutes und Gesundes zu kochen, sich Zeit zum Essen zu nehmen, in unterhaltsamer Gesellschaft. Es kostet wesentlich mehr Mühe und Zeit, doch steigert sich der Genuss um ein Vielfaches.

 

Wenn man einen ernsthaften Versuch starten möchte sein Sexualleben grundsätzlich umzugestalten, ist die Liebe nach fernöstlicher Art kaum im Schnellverfahren zu haben. Multiorgasmen, unbegrenzte Potenz, auch im Alter, und daraus resultierende Energie stellen sich nicht von Jetzt auf Gleich ein. Zu den notwendigen körperlichen Übungen kommen geistige Einstellungen um das Leben im Augenblick, die Bewusstheit und das Geschehenlassen überhaupt zelebrieren zu können. Hinzu kommt die Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen der fernöstlichen Lehren, um besser begreifen zu können was man tut.

 

Wer jedoch nicht so weitermachen möchte wie bisher, und das Bedürfnis hat in völlig neue Dimensionen aufzubrechen, für den könnte es sich lohnen in eine komplett andere sexuelle Welt einzusteigen. Dann wird Ekstase möglich, auf eine Art, die göttlich ist.