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Das Leben gestalten

Von Bettina-Christin Lemke

 

Wie schön wäre es ein glückliches Leben zu führen. Eines welches Sinn macht, Zufriedenheit schenkt, welches einen fröhlich aufwachen lässt, energiereiche Tage schenkt und weit über die profane Alltagsbewältigung mit ein paar Lichtblicken hinausgeht.

 

Vielleicht schafft man es eine Weile daran zu glauben, dass Leben sei nur dazu da um sich bestmöglich zu amüsieren. Vielleicht gelingt es eine Zeitlang soviel zu arbeiten, dass Sinnfragen nicht aufkommen. Irgendwann passiert es doch, die Frage nach dem Sinn, das Bangen, ob man die Art wie man gegenwärtig seine Zeit verbringt die Richtige ist oder man spürt das große Gefühl des Nichts ganz tief im Innern, was sich nicht wegarbeiten, nicht wegfeiern nicht wegfernsehen lässt, das Gefühl was fordert.

 

Beim zufriedenen Leben geht nicht nur um Spaß. Spaß ist eine quantitative Dimension. Wenn sie durch Sinn ergänzt wird, kommt die Qualität hinzu. Es geht nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung, sondern um eine Ergänzung. Ein gutes Beispiel dafür ist die östliche Auffassung vom Sex. Die Menschen dort geben sich nur nur deshalb der körperlichen Liebe hin, weil es Spaß mach, nicht nur um Wohlbefinden zu steigern, sondern auch um ihre Persönlichkeit zu entwickeln und um ihre Seele zu transformieren, um zu einer höheren Entwicklungsstufe zu gelangen. Zufriedenheit und Sinn sind mit inneren Einstellungen verbunden, die sich zwar an Äußerlichkeiten binden können, aber nicht mit ihnen verhaftet sind.

 

Der Mensch hat das Potential zum Glücklichsein. Wer zu einer satten Zufriedenheit, zur Lebendigkeit, zur Entfaltung seiner Persönlichkeit gelangen will, kommt nicht umhin seinen ganz eigenen Weg zum Glück zu erforschen und zu beschreiten.

Auch wenn die Glücksforschung inzwischen ein paar Glücksfaktoren herauskristallisiert hat, die den meisten Menschen Zufriedenheit schenkt, bleibt ein weiter Spielraum, der individuell gestaltet werden kann und muss.

 

Zufriedene Leben brauchen einen tragfähigen Grund, ein paar Ideen was zu einem passt und schließlich muss die Verwirklichung angegangen werden.

 

 

Persönliche Probleme lösen, Heil werden

Vor der Suche nach dem guten Leben, ist es zunächst sinnvoll sich von vergangenen psychischen Beeinträchtigungen zu lösen. Verstrickungen und frühere Verletzungen oder gar Traumata können dahingehen bearbeitet werden, dass sie das gegenwärtige Leben nicht mehr bestimmen.

Manchmal ist es notwendig dazu professionelle Hilfe zu suchen, manchmal lösen sich die Problem vom alleine, wenn man sich mit einem neuen selbst gewählten Lebensentwurf beginnt zu verwirklichen.

Auf jeden Fall ist es hilfreich die eigenen Gründe, weswegen man bestimmte Ziele erreichen möchte bezüglich persönlicher Verletzungen zu untersuchen, um Umwege zu vermeiden. Strebt man ein harmonisches Familienleben an, weil man es selber als Kind nicht hatte? Oder möchte man sich im Beruf profilieren, weil man früher zu wenig Anerkennung bekam?

Jede persönliche Verstrickung kann Motivator sein, aber gleichzeitig macht es die Erreichung des Zieles schwieriger, weil man häufig zu fixiert ist. Vielleicht hält man keinen Streit aus, weil die Idee der Familienidylle so stark ist und man kommt so in die Gefahr zu zerstören, was eigentlich wichtig ist, weil man nicht konfliktfähig ist. Vielleicht beißt man sich in der Karriere fest und vernachlässigt andere Bereiche des Lebens und zahlt so für die Anerkennung einen zu hohen Preis.

 

 

Transformation

Der Königsweg im Umgang mit persönlichen Problemen ist die Transformation. Dieser Prozess meint im psychischen Bereich das konstruktive Verändern von als negativ empfundenen Persönlichkeitsfaktoren oder Charaktermerkmalen oder auch Traumata in heilbringende konstruktive Lebensformen, worauf sich das Heilwerden sowohl auf die Person bezieht, als auch auf die Umwelt. Es ist also stets eine Veränderung die auch nach außen hin wirkt und von der auch andere profitieren. Es ist eine kunstvolle Art der Verwandlung.

Ein typisches Beispiel für diese Form der Gesundung sind Künstler, die durch ihre bestimmte Art sich selber und die Welt zu sehen einmalige Kunst gestalten, die für die Welt ein Gewinn ist. Auch Sozialberufler haben oft das Bedürfnis anderen Menschen zu helfen, so wie sie sich einst Hilfe gewünscht hätte und können dabei eine besondere Gabe entwickeln. Dieses Phänomen tritt aber auch in abgeschwächter Form bei vielen Menschen in alltäglichen Bereichen auf. Da möchte eine Mutter, die in ihrer Kindheit Gewalt erfahren hatte, ihre eigenen Kinder gewaltfrei erziehen oder der Chef, der in seiner Jugend als Auszubildender zu unwürdigen Arbeiten herangezogen wurde, unterstützt seine Mitarbeiter und verhält sich fair.

Manchmal geschehen diese Prozesse unbewusst. Bei vollem Bewusstsein können sie effektiver verlaufen.

 

 

Den Sinn finden

Es wird viel darüber diskutiert, ob das Leben einen Sinn hat oder wir lediglich das Produkt einer Vielzahl von Zufällen sind. Letztlich ist es nicht wichtig, ob es einen allgemeinen Senn des Lebens gibt. Wichtig ist es, für sich selber einen Sinn zu finden, weil das die Lebensqualität erheblich steigert.

 

Bereiche, die ein zufriedenes Leben ermöglichen

Viele Menschen finden Zufriedenheit und Sinn im zwischenmenschlichen Bereich. Entweder durch die Gründung einer Familie, in der Pflege von Freundschaften oder durch das Ausüben eines sozialen Berufes.

Andere finden es wichtig Geld zu verdienen, um sich ein gutes Leben leisten zu können. Geld sollte jedoch nie Selbstzweck sein. Es stehen immer andere Bedürfnisse, die nach Erfüllung drängen dahinter und es ist gut herauszufinden welche es sind. Wer eigentlich Anerkennung haben möchte, kann statt des Weges über das Geld auch einen anderen gehen und kommt damit vielleicht schneller und komfortabler am Ziel. Wenn man glaubt mit Geld ein anderer Mensch zu werden, vielleicht, weil er Vorbilder im Kopf hat, sollte sich seine Wünsche genauer ansehen. Geld allein verhilft weder zu Stil noch zu Bildung noch zu einem ästhetischen Leben, und auch nicht zwangsläufig zu mehr Freude oder Genuss. Es gibt kaum einen Bereich in dem Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinandergehen.

 

Weitere Bereiche sind Kunst und Wissenschaft. Wenn dies der richtige Weg sein sollte fühlt man sich häufig berufen. Arbeit und Vergnügen gehen Hand in Hand. Oft glaubt man gar nicht anders zu können als eben zu malen oder zu schreiben oder zu forschen.

 

Hobbys wie die Pflege eines Kleingartens, Haustiere, Bastel- oder Werkarbeiten oder Sport helfen im Allgemeinen nur zum Glücklichsein, wenn sie mit Engagement ausgeübt werden und zu einem zentralen Bereich im Leben geworden sind, an dem sich soziale Kontakte anfügen und bei dem man ein gewisses Maß an Professionalität entwickelt hat.

 

Auch karikative Arbeiten können ins Glück führen. Es besteht manchmal die Gefahr an dem Unglück der anderen zu zerbrechen, weil man zwangsläufig zu der Erkenntnis kommt selbst nur so wenig tun zu können. Gleichzeitig erwächst Zufriedenheit, weil man auf einer immateriellen Ebene viel zurückbekommt: ein Lächeln, ein ehrliches „Danke“. Die eigenen Probleme relativieren sich. Das, worüber sich andere Menschen den Kopf zerbrechen oder Situationen, wo andere mit Ärger reagieren, werden zu Lappalien in Hinblick auf das Unglück anderer.

 

Grundsätzlich haben alle Bereiche zwei Gemeinsamkeiten: Sie schaffen eine Brücke zwischen dem Ich und der Außenwelt und haben einen generativen Charakter. Das heißt man hinterlässt etwas von sich selber, was auch nach dem eigenen Tod Bestand hat. Außerdem schaden sie niemals anderen Menschen. Es gibt keinen sinnstiftenden destruktiven Weg, der wirklich zur Zufriedenheit führt. Im Gegenteil: Ein wichtiger Schritt zu mehr Sinn und Wohlbefinden ist es, für mehr Wohlbefinden bei anderen zu sorgen.

 

Die Qualität, wie diese Bereiche gelebt werden hängt entscheidend davon ab, ob sie sinntauglich sind. Menschen können eine Familie haben, obwohl sie eigentlich lieber alleine wären. Oder sie kümmern sich nicht um sie. Manche machen Karriere und verdienen viel Geld, sind aber trotzdem unglücklich und ihr Leben schmeckt schal. Ein Maler, der sich ständig zum Malen zwingen muss wird vermutlich keine Erfüllung darin finden.

 

Das bloße Konsumieren oder Abarbeiten eines der beschrieben Inhalte ist wenig effektiv. Wenn man keine Leidenschaft dafür spürt, bringt einem das überhaupt nichts. Leidenschaft ist eine Mischung aus Interesse und Vertiefung. Dadurch gelingt es sich einzulassen. Mit Leidenschaft kann selbst der kleine Vorgarten zur Quelle von Zufriedenheit werden.

Alle sinnstiftenden Aktivitäten sind gesundheitsfördernd. Wenn sie die Gesundheit und das Wohlbefinden beeinträchtigen macht man ganz sicher etwas falsch.

 

Die Wege sind mehr oder weniger frei kombinierbar, doch die meisten Menschen legen einen Schwerpunkt. Es gibt keinen normalen und keinen typischen Weg. Wer sich gegen eine Familie entscheidet, weil er meint einen anderen Weg gehen zu wollen, braucht sich nicht von der Gesellschaft einreden zu lassen, er wäre unnormal oder hätte emotional/soziale Defizite.

Wer eine Leidenschaft für außergewöhnliche Hobbys entwickelt, muss sich das nicht ausreden lassen.

 

 

Hinweise zum eigenen Weg

Grundsätzlich gibt es zwei Informationsquellen um den subjektiv richtigen Weg zur Zufriedenheit zu finden: Hinweise von Innen und externe Hinweise.

Innere Hinweise sind Talenten, Freude an bestimmten Dingen, Neigungen und Interessen, Themen, mit denen man sich beschäftigt, aber auch Schwächen mit Verwandlungspotenzial.

„Gottes Gaben sind Gottes Dienstanweisungen", pflegte Gustav Heinemann zu sagen.

 

Hinweise von Außen sind Erlebnisse oder Herausforderungen, die die Umwelt an uns stellt und mit denen man auf die eine oder andere Weise umgehen muss. Wer zufällig mal in eine Kirche spaziert ist, entdeckt vielleicht ein Interesse an kirchlicher Gemeinschaft und beginnt sich dort zu engagieren. Vielleicht erzählt ein Freund von einem Hobby und man fühlt sich ungewöhnlich angezogen davon, oder manchmal können es auch unangenehme Dinge sein, etwa eine Erkrankung eines Angehörigen, die einen auf eine Selbsthilfegruppe aufmerksam macht. Es ist ein alter Trick über die Konfrontation mit externen Problemen zu internen Lösungen und damit sinnvollen Aufgaben zu gelangen. Geschehnisse werden dann als Information aufgefasst.

 

In beiden Wegen steckt die Gefahr des Irrtums. Weder Intuition kann immer zu den richtigen Schlüssen führen noch ein kräftiger Wink des Schicksals. Stets ist ein Reflektieren notwendig: Passt dieser Weg zu mir und meinem Leben? Will ich was ganz Neues machen? Welche Konsequenzen ergeben sich für mich und mein Umfeld daraus? Bin ich bereit sie zu tragen? Gibt es Absicherungen oder vielleicht so etwas wie eine Probezeit?

Auch Gespräche mit Freunden können nur begrenzt zu Entscheidungen motivieren. Eine Hilfe sind sie sicherlich trotzdem.

Natürlich kommt es auch vor, dass richtige Wege nur begrenzt haltbar sind und eine Umorientierung notwendig machen. Gegenwärtig ist es möglich eine Vielzahl von sinnstiftenden Tätigkeiten in einem Leben unterzubringen.

Man muss auch nicht immer „groß“ denken. Es ist durchaus möglich, dass kleine Lebensbereiche sinnstiftend sind. Es gibt keinen anderen Maßstab außer dem eigenen.

 

 

Etwas tun

Irgendwann ist der Zeitpunkt da anzufangen. Vielleicht genügt auch eine Neubewertung von dem, was man ohnehin schon macht und der Ausbau dieses Weges.

Viele Menschen befinden sich häufig in einem Zustand von Stress oder von Langeweile. Beides sind keine guten Ausgangspositionen zum Nachdenken und Reflektieren. Dieses wichtige Thema bedarf Raum, Zeit und eine positive Grundstimmung. Ein regelmäßiges Innehalten, eine Verabredung mit sich selber ist hilfreich, um über das Große nachdenken.

 

Der Weg ist das Ziel. Dieser Hinweis von Konfuzius kann ein gutes Motto für Glückssuchende sein. Wenn der Weg keine Freude bereitet taugt das Ziel nicht viel. Schon der erste Binnenseesegelkurs muss ein wenig Erfüllung bringen, wenn der Traum lautet durch die Karibik zu schippern. Jedes Tun sollte durch Sinn und Überzeugung getragen werden.

 

 

Erkennen, dass man auf dem richtigen Weg ist

Ein untrügliches Zeichen für ein sinnvolles Leben sind die eigenen Gefühle. Wenn man im Leben ein positives Grundgefühl hat, wenn man fröhlich ist und gerne lebt sind das Indikatoren dafür den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Weitere Merkmale sind stabile soziale Beziehungen und das Interesse an den Geschehnissen in der näheren oder weiteren Umwelt.

Meistens treten egoistische Wesenszüge zurück. Menschen, die zufrieden sind, kreisen nicht gedanklich unaufhörlich um sich selber. Sie lieben nicht um geliebt zu werden, sie stellen nicht ihre Bedürfnisse über die der anderen und schöpfen daraus eine besondere Art von Befriedigung.

Andersherum sind negative Gefühle meist eine Handlungsaufforderung etwas zu ändern. Sich von Emotionen leiten ohne sich überwältigen oder sich von ihnen das Handeln diktieren zu lassen wird als emotionale Intelligenz bezeichnet.

 

Jeder Mensch hat das Vermögen zum Sprechen, zum Laufen und zum Glücklichsein. Es ist des Menschen Schicksal diese Prozesse zu entwickeln und sie ganz individuell zu entfalten. Das ist zwar mit etwas Anstrengung verbunden, doch dafür ist die Zufriedenheit, die daraus erwächst, ist eine ganz eigene.

 

 

Christian Morgenstern hat gedichtet:

 

Wir brauchen nicht so fort zu leben,
 wie wir gestern gelebt haben.
 Macht Euch nur von dieser Anschauung los

und tausend Möglichkeiten
laden uns zu neuem Leben ein.